28.10.17 Jovel, Münster
Da waren sie also wieder. Diese Konzerterlebnisse, die, bisweilen etwas unerwartet, unvergessliche Momente bescheren. So geschah es auch an jenem Samstagabend in Münster. Unerwartet insofern, weil der Rezensent alle drei Bands bis dato nie live sah und, so gesteht er nun zu seiner eigenen Schande, von „Eat Ghosts“ zuvor sogar nie Kenntnis nahm. Und eben jene vier Jungs aus Potsdam eröffneten diesen Gig.
Anno 2013 als „Minerva“ in die Welt gezogen, um eben jene musikalisch zu erobern, nannte man sich in diesem Jahre in „Eat Ghosts“ um. Schlagzeuger Martin gestaltete im Übrigen eine, vom Dadaismus inspirierte, Kollage, die den Titel „Eat Ghosts“ trug. Auf diese Art und Weise kam dann der Bandname zustande, der auch metaphorisch gut zu einem Neuanfang passte. Und ging auch damit einher, nicht nur einen personellen Wandel vollzogen zu haben, sondern auch einen musikalischen. Weg vom etwas verfrickelteren Prog-Rock hin zu einer wunderbaren Melange aus so vielen Genres. Und dies übertrugen sie auf ein begeisternde Art und Weise auch auf das nicht immer einfache, und selten leicht zu erobernde Münsteraner Publikum. In den dreißig Minuten entbrannten Enrico Semler (Gesang), Jan Waterstradt (Gitarre), Benjamin Ihnow (Saxophon) und Martin Mann (Drums) eine abwechslungsreich intonierte Achterbahnfahrt.
Vielleicht muss man Jazz mögen, um „Eat Ghosts“ zu mögen? Diese Frage stellte ich mir, als ich der Band anfangs lauschte. Aber nein, ich denke nicht. Natürlich sorgt dieses Saxophon für jazzige Momente, ist sich aber auch nicht zu schade, die unzähligen psychedelischen Instrumentalphasen einfach nur belebend zu unterstützen. Die Musik war sehr rifflastig und die Heavy-Rock Phasen, fühlten sich pudelwohl zwischen Kraut- und Post-Rock Elementen. Selbst zarte Reggae-Anbiederungen, vor Allem in dem einen oder anderen Chorus, fügten sich ganz großartig in die komplexe Spielweise der Jungs ein. Die trotzdem nie anstrengend, sondern immer vital und sogar auch rotzig klang. Was musikalisch sehr unterschiedlich entsprang, fügte sich in dem Gig in ein vollendetes Ganzes. Als großer Liebhaber der fantastischen „King Crimson“ fühlte ich mich bestens aufgehoben und unterhalten. Gerne mehr von solchen Konzertmomenten.
https://rockblogbluesspot.com/2017/11/05/wucan-blackberries-eat-ghosts-muenster-jovel-28-10-2017/#more-25730
23. 09.2017 Scheune, Dresden
geschrieben von Tina Himmelreich
Zwei Jahre ist es mittlerweile her, dass die Dresdner Wucan ihr Debütalbum „Sow The Wind“ vorstellten und damit für ordentlichen Wirbel sorgten. Beste Kritiken und ein volles Tourprogramm waren die Folge, nun ist es endlich Zeit, den Nachfolger zu präsentieren. Mit „Reap The Storm“ lädt der Vierer zum Release in die Dresdner Scheune, selbst wenn die dazugehörige Party ein paar Tage vor der eigentlichen Veröffentlichung ansteht.
Eat Ghosts
Dafür, dass es aber tatsächlich noch eine waschechte Release-Party wird, sorgt die erste Band des Abends. Eat Ghosts, welche ursprünglich unter dem Namen Minerva an den Start gingen, präsentieren ihr noch pressfrisches Album „An Ti E Go“ und schauen anfangs auf recht wenig Leute drein. Der Club ist zudem noch mittig abgesperrt, was nicht gerade auf ein größeres Publikumsinteresse für diesen Abend schließen lässt.
Aber immerhin füllt sich der Saal nach der legeren Begrüßung „Hui, ihr seid ja schon da“ doch noch, allerdings lässt sich die Lücke vor der Bühne noch nicht so wirklich schließen. Die Potsdamer nehmen es gelassen und bringen eine fette Portion Prog-Rock auf die Bretter, der zumindest die Ersten mitgrooven lässt. Das ausgedehnte Spiel der Gitarrenfraktion, angereichert mit Saxophon und Schlagzeug kann mit einer dichten Soundwand aufwarten, dafür wird das Licht etwas knappgehalten, was dem Ganzen noch ein stimmungsvolleres Ambiente vermittelt. Immerhin reicht es, um die Musiker noch erkennen zu können und die gehen komplett in ihrer Musik auf. Selbst wenn man die Band bislang noch nicht kannte, scheint es schier unmöglich sich dem Enthusiasmus auf der Bühne zu entziehen.
Beim Instrumentalstück „EchoEcho“ treiben sich die Musiker rund um Bassist und Sänger Enny gegenseitig an, was schließlich in einer absoluten Jam-Ekstase endet und mit entsprechendem Applaus gewürdigt wird. Erste Besucher wagen nun immerhin auch noch einen Schritt nach vorn, wobei zugegebenermaßen sich hier auch einige für den Weg Richtung Bar entscheiden und mal wieder festzustellen bleibt, dass Geschmäcker eben recht unterschiedlich sind.
Enny freut sich derweil über den fetten Abend, der ja noch lang nicht zu Ende sei und entlässt den Saxophonisten schon mal in den Feierabend. Der holt sich einen wohlverdienten Abschiedsapplaus ab und kann sich das Ende des recht kurzen Gigs nun entspannt von unten anschauen. Noch einmal gibt es zu „Fancy Free“ pure Spiellaune zu sehen und zu hören, Beifall ertönt und damit geht es in die erste Pause.
14.08.2017 PNN – Fabrik, Potsdam
geschrieben von Oliver Dietrich
Die Zeit war reif für eine Neuerfindung: Bis eben gab es noch die Potsdamer Band Minerva, jetzt hat sie sich einen neuen Namen verpasst. Eat Ghosts nennt sich das Quartett jetzt – und am vergangenen Freitag gab es das erste Potsdam-Konzert mit dem neuen Namen, im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Sound(g)arten“ in der fabrik in der Schiffbauergasse. Die findet den Sommer über eigentlich open air statt, doch für ein Konzert unter freiem Himmel spielte das Wetter nicht so richtig mit. Kurzerhand wurde es also nach innen verlegt.
Der Veranstaltung tat das keinen Abbruch, und trotz neuen Namens ist die Band ja Profi. „Wir wollten die Songs innovativer angehen, weniger verkopft“, sagt Bassist und Sänger Enrico Semler über die Neuerfindung. Dabei verwendeten Minerva sehr viel Energie dafür, eine schwere Metaphorik zu entwickeln: Das Debütalbum „Germinal“ arbeitete sich an der industriellen Revolution ab, ein Konzeptalbum, dessen Uraufführung mit einem Theaterstück verschmolz.
Diese kreative Wucht haben sich Eat Ghosts jedoch erhalten, von einem Schlussstrich ist am Freitag nichts zu spüren. In tief psychedelischem Duktus zelebriert die Band einen durch die 1970er-Jahre geprägten Krautrock, dessen gewaltige Komplexität jedoch nicht erschlägt, sondern tief hineinsaugt. Kein Wunder – gab es doch schon vor der offiziellen Bandgründung das Projekt Stoned forget the Cookies, bei dem Songs von Jimi Hendrix gecovert wurden. Hendrix ist auch heute noch spürbar: Viel Hall, viel Gegenläufiges – und nach jedem Ausbruch kehrt der jazzige Frieden wieder ein. Unfassbar, wie man eine so erzählerische Struktur in Musik verfrachten kann: Der mäandernde Bass von Enrico Semler schiebt das virtuose Gitarrenspiel von Jan Waterstradt, Schlagzeuger Martin Mann spielt präzise und aus dem Handgelenk im Vordergrund, während Saxofonist Benjamin Ihnow die Parts dominiert, in denen die Geschwindigkeit reduziert wird. Eingerahmt wird die schräge Szenerie durch zwei Türme aus Fernsehern links und rechts der Bühne, auf denen Bilder flackern. Eine beinahe anachronistische Traumwelt.
Das Ganze besitzt eine gewisse Schrulligkeit, zumal die Songs nicht in wenigen Minuten heruntergespielt werden, sondern sich in bluesartigen Schemata entwickeln. Doch dabei wird so viel lyrisches Potenzial frei, dass es einen schlicht aus den Angeln hebt. Angesichts so viel Genialität setzt leichter Schwindel ein. Am Ende fügt sich alles. Selten geht man so emotional nach Hause.
Für die Zukunft von Eat Ghosts gibt es auch schon große Pläne: Am 22. September erscheint das Album „ANT/EGO“ auf dem Label „Sonic Attack“, danach geht es auf Tour durch Deutschland, die Schweiz und Italien. Und da wird es mit Sicherheit auch einen Zwischenstopp in der Heimat geben.
http://www.pnn.de/potsdam-kultur/1208506/
29.01.16 Crossover AGM – Review, Jena , KuBa (w/LAU)
Den gibt es dafür dann bei Minerva – und das, obwohl deren Sänger/Bassist angeschlagen ins Rennen geht und den Gig stimmlich nur durchhält, weil ihm die Cosmic-Dawn-Veranstaltercrew eine große Tasse Tee gebraut hat und zudem die Songs ihm die Möglichkeit bieten, auch mal länger zu verschnaufen, wohingegen er gleich im mehrstimmigen Intro gefordert wird, die Anforderungen aber durchaus gekonnt meistert. Sangespartner sind hier der Gitarrist (mit Mikrofon, aber relativ weit entfernt von selbigem singend) und der Drummer (ohne Mikrofon und daher naturgemäß nur mit einer Hintergrundfunktion), aber solche mehrstimmigen Passagen bleiben im weiteren Verlauf des Sets eher selten. Mit sieben Songs plus einem als Zugabe spielen Minerva zweieinhalbmal so lange wie Lau – sie sind also Freunde ausladender Kompositionen und siedeln irgendwo im Progrock-/Progmetalareal, ohne sich aber irgendwo definitiv verankern zu wollen, mit einer Ausnahme: Spätestens als im dritten Song, der den kryptischen Titel „Urzel Schnurz“ trägt, ein Saxophonist mit auf die Bühne steigt und dort auch für den Rest des Sets aktiv bleibt (mit Fast-Ausnahme des Setclosers „All I’ve Done“, der ohne sein Instrument auskommt, ihn dafür aber für einige deutsch deklamierte Zeilen, die die Uniformität und Maschinisierung des heutigen menschlichen Lebens anprangern, ans Mikrofon wechseln läßt), springt einen ein Vergleich zu den frühen King Crimson förmlich an, und das ist beileibe nicht die schlechteste Referenz, die man als junge Potsdamer Band ums Revers gebunden bekommen kann. Der psychedelische Faktor fällt allerdings vergleichsweise niedrig aus, und Klangweltenerforscher wie Robert Fripp sind Minerva auch nicht – sie bewegen sich auf bekanntem Terrain, machen dort allerdings eine exzellente Figur und wissen Spieltechnik und Gefühl gekonnt miteinander zu verbinden. Dazu tritt der Humorfaktor, der sich in den Ansagen Bahn bricht („Das Leben als Rockstar hat ja auch so seine Schattenseiten – aber die haben wir noch nicht kennengelernt“), und wenn jetzt noch der Sänger richtig gesund gewesen wäre, man hätte von einem durchgängig erstklassigen Gig sprechen dürfen. Dabei kämpft der durchaus und hat auch Erfolg, aber man wird das Gefühl nicht los, die Band doch lieber nochmal hören zu wollen, wenn er wieder richtig fit ist. Allen wüsten Taktarten zum Trotz verstecken Minerva aber trotzdem reichlich Grundsatztanzbarkeit in ihren Songs, und das weiß das Publikum auch zu würdigen und schwingt zumindest zu diesen Gelegenheiten im Verlaufe des Gigs zunehmend das Tanzbein (wenn auch nicht ganz so heftig wie z.B. bei Monomyth sechs Wochen zuvor an gleicher Stelle), während ansonsten eher aufmerksames Mitverfolgen der musikalischen Evolution (die so manch spannendes Ergebnis zeitigt) angesagt ist. Solange die deutsche Szene solche Bands hervorzubringen in der Lage ist, braucht man sich um sie keine Sorgen zu machen und sollte dann bei ihnen nur die Säle füllen – da läßt der Abend nämlich durchaus etwas Spielraum nach oben, obwohl Minerva nicht zum ersten Mal im Kulturbahnhof spielen. Aber die Anwesenden spenden reichlich Applaus, und so kommt das Quartett auch nicht um die Zugabe „Before I Lost My Fight Inside“ herum, die aufgrund ihrer Rhythmik eher in die Zuhör- als in die Tanzbein-Kategorie fällt, aber einen starken Gig trotzdem prima abschließt.
http://www.crossover-agm.de/160129.htm
10.06.14 PNN – Review, zum T-Werk Auftritt (in TON/LICHT/SCHAUSPIEL)
geschrieben von Oliver Dietrich
Die Brausehaus-Band Minerva führte im T-Werk ihr neues Konzeptalbum auf. Düster und theatralisch und insgesamt ergreifend war das.
Man sollte nicht zu viele Superlative benutzen, um eine Beschreibung glaubwürdig zu machen – das weiß doch jeder. Aber es gibt Fälle, in denen genau das schwer ist, weil die Superlative sich förmlich aufdrängen.
Das Konzert der Potsdamer Band Minerva, die am vergangenen Freitag im T-Werk ihr Konzeptalbum „Germinal“ aufführte, ist so ein Fall. Vielleicht auch gerade weil nicht einfach nur ein Konzert angekündigt war: Eine Aufführung in Licht, Bild und Ton wurde angekündigt, auf Plakaten, die der Kinowerbung der 50er-Jahre verbunden waren. Das klingt schon mal viel versprechend. Normalerweise sind es dann auch die Künstler, die vor den Konzerten angespannt sind und gegen ihre Aufregung kämpfen – aber am Freitag hatte man selbst etwas von dieser Nervosität im Blut, der Ungewissheit geschuldet, was einen nun erwarten würde. Der ganze Abend war das Abschlussprojekt von Robin Wittkowski, der im T-Werk eine Ausbildung zum Veranstaltungstechniker gemacht hat, und jetzt zeigen konnte, was er gelernt hat. Wohl auch deshalb der ungewöhnliche Ort für ein Konzert, finden doch im T-Werk hauptsächlich Theaterstücke statt.
Düster wurde es, in einem arhythmischen Stakkato wurde zunächst auf Fässer und Rohre geschlagen. Das war dem T-Werk angemessen theatralisch: Drei Schauspieler inszenierten mit Requisiten der Wanderer – Feldbett, Spaten, Kartoffelsäcke – ihre Ruhelosigkeit, getragen von den einwickelnden Songs von Minerva. Das war trudelnde, verspielte Musik, die so atemberaubend war, dass sie schon von selbst Geschichten erzählte, mit komplexen, ausgefeilten Bögen. Die Kombination mit der Assoziativität der Musik und dem schweigenden Schauspiel der drei Gestalten war ergreifend: etwa als einer der Schauspieler sich das Gesicht vor einem Spiegel wusch und sich dann in das Bett legte – während die anderen in Hasenmasken um den Schlafenden tanzten. Das war wirklich ekstatisch, eine Reminiszenz an „Alice im Wunderland“, nur bedrückender.
Es wurde verdammt hoch gepokert und auf Effekte gesetzt – aber haushoch gewonnen. Das Atmosphärische der Musik passte perfekt zu dem, was sich gleichzeitig auf der Bühne und im Kopf des Betrachters abspielte. Und das konnte albtraumhaft dramatisch werden, mit Bewegungen, die zu Geräuschen verknüpft wurden, mit Brecheisen auf Stahlrohre etwa, während sich die Band bewusst im Hintergrund des krachenden Schepperns hielt. Dabei konnte Minerva so unglaublich zart spielen, mit Saxofon oder Querflöte etwa. Das berührte ganz tief. Ein bewegendes Konzert, das mit tosendem Applaus honoriert wurde.